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Aportierender Hund 2Unser Gehirn hat eine ganz erstaunliche Fähigkeit: es kann ganz fix Verhalten wahrnehmen und interpretieren. Wir sehen dann dominante Pferde, ressourcenverteidigende Hunde, und hinterlistige Katzen. Was wir aber durch diese Art zu sehen gerne ÜBERsehen ist das Verhalten, das das Tier wirklich zeigt. Das wiederum müssen wir aber bis ins Detail kennen, um sinnvoll und zielgerichtet trainieren zu können. Egal, ob wir das Verhalten verstärken oder eliminieren möchten.

Ich hatte das Glück, in den letzten Jahren von Trainern lernen zu können, die mich immer und immer wieder aufgefordert haben, zu erklären, was ich sehe. Also das Verhalten wirklich nur zu beschreiben. Ohne Interpretation. Ohne Wertung. Ein „der Hund ist erschöpft und möchte nicht länger apportieren üben“ als Beschreibung für das, was ich sah, genügte meinen Ausbildern da bei weitem nicht. Sie bohrten so lange, bis ich wirklich beschrieb, was ich alles sehen konnte. „Der Hund geht auf dem Weg zum Apportel im Schritt, seine Rute hat im Vergleich zu vorher weniger Spannung, sein Kopf ist gesenkt, er Aportierender Hund 1schaut abwechselnd zum Apportel und zum Hundeführer,…“ So oder so ähnlich musste meine Antwort lauten, damit sie zufrieden waren. Aber wozu das Ganze? Man kann an diesem Beispiel schon ansatzweise sehen, dass Erschöpfung durchaus ein möglicher Grund für die schlechtere Leistung des Hunds beim Apportieren ist. Aber eben nur EIN möglicher Grund. Genauso gut kann die Belohnung nicht hochwertig genug gewesen sein, ein Störfaktor hinzugekommen sein oder vieles mehr. Dem können wir aber letztlich nur auf den Grund kommen, wenn wir regelmäßig genau hinschauen. Dann fallen uns die Veränderungen des Verhaltens, aber auch beispielsweise eine veränderte Umgebung viel deutlicher auf.

Und auch wenn wir ein neues Verhalten trainieren möchten, müssen wir wissen, wie das Verhalten am Ende und in den Zwischenschritten bis dahin aussehen soll. Dafür ist das Beobachten lernen die Grundvoraussetzung.

Wenn wir interpretieren, dann macht unser Gehirn es sich leicht. Es zieht eine Schublade auf, packt das Verhalten hinein und öffnet die passende Reaktions-Schublade. Das ist schön energiesparend, aber damit tut unser Hirn uns oft keinen Gefallen! Diese Art zu sehen, versperrt uns leider die Sicht auf das tatsächliche Verhalten und die möglichen Lösungswege. Wir machen es uns dabei also nur augenscheinlich leichter – letztlich kreieren wir dadurch selbst Probleme oder sind ungerecht zum Tier. Wir sehen nicht richtig hin, wenn wir interpretieren: Ist das Tier aus unserer Sicht dominant oder revierverteidigend, dann ist unser Gehirn damit zufrieden und wir machen uns keine weiteren Gedanken.

Schaffen wir es, genau hinzusehen und die Interpretation beiseite zu lassen, dann ist meist auch die dazugehörige Wertung nicht mehr im Weg. Das ist sehr hilfreich für unser Training und klärt unseren Blick. Es hat auch einen Einfluss auf die Stimmung und die eigene Einstellung. Probier’s aus!

Am besten du übst das erstmal am Verhalten anderer Menschen oder fremder Tiere, zu denen du keine Beziehung hast. Das hilft dir, neutral zu bleiben. Denke im ersten Schritt auch noch gar nicht daran, wie man das Verhalten verändern könnte. Beobachte nur – ohne Interpretation, ohne Wertung. Das Tolle daran ist, dass sich ständig Übungssituationen bieten. An der Supermarktkasse, auf dem Hundeplatz, im Möbelhaus…