www.trainingsglueck.de

Pferdeerziehung bedeutet für viele Reiter Grenzen aufzeigen und klarmachen, wer der Boss ist. Wen wundert es also, dass der Ton in der Pferdeerziehung meist ein ziemlich rauer ist. Eines möchte ich klarstellen: Ich finde es absolut sinnvoll, Pferden eine Grunderziehung angedeihen zu lassen und sie damit auf ihren Alltag als Reitpferd und Freizeitpartner vorzubereiten. Aber ich bin der Meinung, dass dies auch freundlich geht. Man muss ein Pferd nicht bedrohen oder unterordnen, um ihm etwas beizubringen!

20140611 Trainingsglueck 03Mein eigenes Pferd El Viento steht in einem Pensionsstall mit rund 20 Pferden. Dort gehen folglich immer wieder verschiedene Trainer ein und aus. Darunter auch Horsemanship-Trainer, die hauptsächlich mit negativer Verstärkung arbeiten (also in der Regel Druck und Druck nachlassen) sowie teilweise mit positiver Strafe (sie geben dem Pferd zum Beispiel einen Klapps auf die Nase, wenn es diese vom Mensch wegnehmen soll). Was ich beobachte: Viele Pferdebesitzer nehmen dies ohne Kritik an und sind schnell bereit, ihr Pferd zu maßregeln und teils deutlich zu bedrohen oder gar zu schlagen.

Warum bestraft man ein Tier, das man liebt?

Was ich mich dabei frage ist, was zu diesem Verhalten der Pferdebesitzer führt. Eigentlich ist das doch nicht logisch. Man gibt tausende von Euros für ein Tier aus (wer ein Pferd besitzt weiß, dass der Kaufpreis dabei noch der geringste Betrag ist – Sattel, nein Sättel, Tierärzte und Pensionsställe verschlingen Unsummen). Man liebt dieses Tier also, hegt und pflegt es – um es dann mit der Peitsche zu bedrohen, damit es lernt, rückwärts zu gehen. Was also bringt Reiter dazu, ihr Pferd so zu behandeln bzw. sehenden Auges Trainern anzuvertrauen, die Dinge mit ihrem Tier tun, die doch eigentlich keiner gutheißen kann, der sein Pferd liebt?

Gewaltbasiertes Training funktioniert (leider)

Mir fallen dazu zwei Thesen ein. Die erste ist, dass diese Art von, aus meiner Sicht gewaltbasiertem, Training funktioniert. Sie funktioniert – richtig angewandt – sogar ziemlich gut. Viele bekannte Gesichter der Pferde-Szene beweisen das unter anderem auf Messen und bei Pferdevorstellungen. Ein Tier, das gelernt hat, welche Konsequenzen es zu befürchten hat, wenn es nicht tut, was von ihm gefordert wurde, wird sich in der Regel nicht verweigern. Voraussetzung wie bei jedem funktionierenden Training: die Aufgabenstellung ist für das Tier klar und die Konsequenzen sind „motivierend“ genug. Mit motivierend ist hier gemeint, dass dem Tier vollkommen klar ist, was ihm droht, wenn es nicht kooperiert und dass es diese Konsequenzen unter keinen Umständen (wieder) erleben möchte. Das Pferd macht also, was gewünscht wurde. Zwar nicht ganz freiwillig, aber es gehorcht. Der Pferdebesitzer wird somit für sein Verhalten belohnt. Vielleicht mit einem unguten Gefühl in der Magengrube, aber letztlich hat es funktioniert und ist ja nur zum Besten für das geliebte Pferd. Schließlich muss es ja lernen, wie es sich in der Menschenwelt verhalten soll.

Alternativlosigkeit

Die zweite These: Der Pferdebesitzer hat keine Wahl, bzw. glaubt, keine Wahl zu haben. Alles was ihm als funktionierendes Pferdetraining gezeigt und vorgelebt wird ist letztlich ganz ähnlich strukturiert. Die Titel der Trainingskonzepte sind anders, aber der Inhalt ist der Gleiche: Das Pferd muss lernen, wer der Boss ist. Das schlechte Bauchgefühl dabei und der Wunsch nach einer Partnerschaft auf Augenhöhe helfen nicht, wenn der Pferdebesitzer keinen durchgängigen Weg sieht, dies auf nette Weise in die Tat umzusetzen. Viele versuchen es ja. Sie kaufen sich einen Clicker und ziehen mit jeder Menge Leckerchen los. Doch am Ende bleiben oft frustrierte Besitzer und unhöfliche Pferde. Das muss nicht sein, ist aber ohne wenigstens ein paar Grundlagen über Lerntheorie oder einen guten Trainer meist die Regel. Tja, da steht man dann mit seinem ohnehin schon unerzogenen und nun auch noch nach der Futtertasche schnappenden Pferd. Der nächste Trainer, der Hilfe mit dem Problempferd anbietet, steht schnell bereit, um diesem die Flausen auszutreiben. Da greift der verantwortungsvolle Pferdebesitzer eben letztlich doch zu Peitsche und Knotenhalfter.

Wahrscheinlich ist es in den meisten Fällen eine Mischung dieser beiden Thesen: Der Pferdebesitzer tut, ohne viel darüber nachzudenken, was ihm vorgelebt wird bzw. was er schon immer so gemacht hat. Er hat kein gutes Gefühl dabei, sein Pferd zu maßregeln, weiß aber auch nicht, wie er ihm auf andere Art und Weise beibringen soll, was er von ihm erwartet.

Es geht auch anders!

Ich würde mir wünschen, dass mehr Pferdebesitzer auf ihr Bauchgefühl und ihre Vorstellung von der Freundschaft auf Augenhöhe zu ihrem Pferd glauben. Der Weg über die Arbeit mit positiver Verstärkung ist selbstverständlich auch nicht immer leicht. Pferde und Menschen haben gute und schlechte Tage und manche Probleme sind auch nicht in zwei Trainingssessions „weggeclickert“. Das ist die Realität. Aber das Gute: Training mit positiver Verstärkung bietet so viele Möglichkeiten. Man muss sich nur die Mühe machen und sie kennenlernen. Oder sich Unterstützung holen von jemandem mit mehr Erfahrung.

Hier liegt leider ein weiteres Problem: in diesem Bereich gibt es insbesondere für Pferde noch viel zu wenige gute Trainer. Aber es gibt welche. Einige finden sich in der Gruppe der TOP-Trainer. Auch wenn nicht alle Erfahrung mit Pferden haben wissen sie oft trotzdem Rat oder kennen einen Ansprechpartner in der Nähe. Und letztlich gibt es auch Online-Kurse (zum Beispiel von Alexandra Kurland) und jede Menge Lektüre. Wo ein Wille, da ein Weg… Wer sein Pferd ohne Gewalt erziehen möchte, der schafft das auch. Und auch wenn es nicht immer reibungslos klappt, lohnt es sich doch, dran zu bleiben, sich zu informieren und sich Mühe zu geben. Das ist man seinem Tier schuldig, finde ich.

6 Antworten

  1. …und gewaltfreies Pferdetraining scheitert oft daran, daß aufgrund der Dinge, die wir mit unseren Pferden machen wollen, geschütztes Training nicht (bzw. nicht immer oder nicht so einfach) möglich ist (vermutlich stellt es jedem Zootiertrainer bei den räumlichen Gegebenheiten in einem typischen Reitstall hier die Haare auf).

    Fehlverhalten ignorieren geht halt nur, wenn für Pferd und Mensch keine Gefahr besteht. Beißen, Treten, Rempeln fällt einfach unter natürliches Pferdeverhalten, ist eben unangenehm bis gefährlich für Menschen.

    Und für den Weg zum Übungsplatz muß sich ein Pferd schonmal willig führen lassen. Blöde, wenn gerade das noch nicht klappt. Super sind die Ställe, die so angelegt sind, daß man Pferd frei zum Übungsplatz lotsen kann.
    Irgendwie scheint auch noch niemand auf die Idee gekommen zu sein, Round Pens so zu nutzen, daß Mensch draußen bleibt und so freies Führtraining macht (und das Pferd echt ignorieren kann, wenn es nicht will). Wobei die bequemere Lösung eindeutig ist, Mensch ist innen, und Pferd draußen (bei Ursula Bruns gab´s doch zum Reiten lernen die geschlossene Ovalbahn, damit sich die Anfänger nicht um die Lenkung kümmern mußten).

    Naja, und spätestens beim Reiten lassen sich je nach eigener Sicherheit viele Dinge einfach nicht zu ignorieren (z. B. Freudenbuckler oder Bocken…hängt doch sehr von der eigenen Routine, dem Sattel, dem Ausmaß ab). Wobei sich bei entsprechend kleinschrittiger Ausbildung und entsprechenden Haltungsbedingungen natürlich viele, aber eben nicht alle Probleme vermeiden oder zumindest deutlich reduzieren lassen.

    1. Liebe Carola, ja, da hast du recht. Einfach ist es oft wahrlich nicht, Training ohne Zwang in der Praxis zu 100 Prozent umzusetzen. Aber mit ein bisschen Fantasie und nicht zu hoch gesteckten Zielen ist schon wirklich viel möglich. Ich erinnere mich gerade an meine Clicker-Anfangszeit und einen Kurs bei Alexandra Kurland. Eins der Pferde, das auf dem Kurs-Hof sogar zuhause war, hatte ziemlichen Stress in der Halle. Alex hat da gar nicht lange gezögert und beschlossen, das Training in den benachbarten Paddock zu verlegen. Hier war a) das Pferd entspannter und b) konnte der Trainer hinter den Zaun gehen und von dort weiter trainieren. Mich hat das damals erstaunt, heute arbeite ich oft selbst so. Sowas ist total simpel und das kann fast jeder umsetzen. Man muss halt „nur“ ein bisschen anders denken lernen 😉

  2. Meine Stute ist sehr freundlich und kooperativ. Ich versuche es grundsätzlich auf die freundliche Tour. Meist klappt das auch sehr gut. Wenn sie aber ihren sturen Tag hat, dann habe ich mit Freundlichkeit leider verloren. Sie gibt dann den Huf nicht, wenn sie eben nicht will. Dann muss ich sie „anpuffen“ damit sie gehorcht. Ich lobe sie aber sofort, auch wenn ich etwas nachhelfen musste.
    Manchmal ignoriert sie meine Bitte in aller Freundschaft und ich denke oft, dass sie dabei ein Auge zukneift und denkt: „hi, hi“. Also nicht bösartig aber an manchen Tagen will sie einfach nicht gehorchen. Aber haben wir nichts auch solche Tage? Ich gestehe ihr das zu, weil sie fast immer dann doch macht was ich möchte. Nicht immer aber immer öfter, weil ich sie liebe! 😍

    1. Danke, Sylke, dass du deine Gedanken dazu mit mir/uns teilst, dein Kommentar zeigt auch schön, dass es im Alltag halt oft nicht so einfach ist wirklich alles über positive Verstärkung zu lösen.
      Jede Situation ist anders, aber was ich oft beobachte ist, dass insbesondere Pferde seehehr schnell abgelenkt sind. Sie sind schließlich Fluchttiere, die darauf angewiesen sind, Ausschau nach potentiellen Angreifern zu halten. Das muss man bei vielen Aufgaben also schlicht mit trainieren, wenn wir bombensicheres Verhalten haben möchten. Das vergisst man schnell. Für uns ist z. B. „Bleibe bitte stehen, wenn ich den Rührstrick verkürze“ immer die gleiche Aufgabe ans Pferd. Für das Pferd sind es aber zwei Paar Schuhe, ob die Aufgabe in der heimischen Reithalle oder draußen beim Spaziergang in womöglich fremder Umgebung abgefragt wird. Daran sollte sich dann z. B. auch die Belohnung anpassen. Vielleicht muss ich draußen auch nochmal mit kleineren Schritten an die Sache rangehen.
      Die Pferde haben immer einen Grund, warum sie wie reagieren (oder auch nicht reagieren ;-). Unser Job besteht darin, rauszufinden was der Grund ist und ggf. die Motivation zu verändern. Aber das macht das Ganze ja so spannend :-))

  3. Sorry, aber „Knotenhalfter und Peitsche“ und „Natural Horsemanship“ scheint hier sehr negativ assoziiert zu sein.
    Ich weiß nicht was genau das für ein Natural Horsemanship Trainer ist, aber dort, wo ich das gelesen habe ging es niemals um „negativ“ oder „positiv“. Auch nicht um „Klapse“. Oder um „Druck und Druck nachlassen“ – ähm, welcher Pferdebesitzer macht das NICHT? Eines der ersten Dinge: am Hintern „schieben“ damit das werte Pony den Weg frei macht. Nur das man bei Horsemanship „lernt“ den Hintern ohne ihn auch nur zu berühren „wegzufragen“. Ebenfalls möglich bei der Vorderhand. Ich zeige nur auf die Schulter und er geht rum. Sehr angenehm.

    Ein weiteres Beispiel vom bösen Natural Horsemanship: Führen. In jedem Reitstall lernt man, laufe neben dem Pferd und wenn es scheu ist halte es möglichst direkt am Halfter. Haha. Laufe möglichst am langen Strick VOR deinem Pferd, zeige ihm das alles okay ist – gebe ihm keine Chance dich umzurennen. Macht das Pferd entspannter, das Führen sicherer. Kommt es zu nah in deine Privatzone oder überholt es dich, einfach ein bisschen am Seil wackeln (durch das Knotenhalfter wird es direkt ans Pferd übertragen aber böses, böses Knotenhalfter…) und es hält Abstand.

    Pferde sind keine Menschen. Ich liebe meinen Kleinen und er tut ohne Zwang alles was ich möchte. Er vertraut mir, geht an allem gruseligen vorbei und akzeptiert mich als ranghöher.

    Echt mal, wenn man schon sowas schreibt bitte differenzieren unter den Horsemanship Leuten die NUR mit Dominanz und schlagen arbeiten und denen die was drauf haben, ihr Pferd kennen, verstehen, darauf eingehen und in der Partnerschaft den leitenden, verantwortungsvollen Part übernehmen.

    Danke 😉

    1. Ru Ka, danke, dass du einen Kommentar hinterlassen hast, auch wenn der Artikel nicht ganz so nach deinem Geschmack war. Prinzipiell ist Pferdetraining natürlich was ganz Persönliches. Aber wenn wir es schaffen, im Training weniger Gewalt (damit sind auch „nur“ Drohungen gemeint) zu benötigen, dann wäre das doch was Feines, oder?

      Zum Thema positiv/negativ möchte ich noch kurz was sagen: „positiv“ und „negativ“ meint in der Lerntheorie nicht „gut“ oder „schlecht“ sondern „etwas hinzufügen“ oder „etwas entfernen“ (also eher mathematisch gedacht). Und das was der Großteil der Pferdeleute unter Horsemanship versteht bezieht sich in der Regel auf die Lehren von Parelli und Roberts. Beide arbeiten mit negativer Verstärkung. Das heißt, sie belohnen das Pferd indem sie etwas Unangenehmes entfernen. Klarer ausgedrückt: das Pferd wird einem unangenehmen Reiz ausgesetzt. Das kann beispielsweise ein Wackeln mit dem Strick sein (verbunden mit einem Knotenhalfter, dessen Knoten auf sensible Teile der Gesichtsknochen drücken löst dies ein unangenehmes Gefühl beim Pferd aus). Weicht das Pferd dem unangenehmen Reiz hört dieser abrupt auf, das Pferd wird dadurch „belohnt“. Der Trainer kann nach und nach den unangenehmen Reiz verringern bis irgendwann nur noch ein körpersprachliches Signal wie zum Beispiel ein Fixieren des Pferdes mit den Augen genügt, dass das Pferd rückwärts geht.

      Das Ergebnis, also dass das Pferd sich bewegt ohne, dass man es anfassen muss, ist prima, da unterschreibe ich. ABER: den Weg dahin mag ich nicht! Ich möchte mein Pferd nicht bedrohen. Ich habe das früher auch als notwendiges Übel gesehen. Irgendwann habe ich gelernt, dass es auch anders geht. Mit ein bisschen Übung und Wissen darüber wie Lernen funktioniert, schafft man es, dem Pferd beizubringen, auf Fingerzeig jedes gewünschte Körperteil dahin zu bewegen wo man es denn gerne hätte. Kurz gesagt: wenn es einen Weg gibt, meinem Pferd etwas beizubringen ohne ihm gleichzeitig zu sagen, was passiert, wenn es das nicht tut, dann gehe ich diesen zehnmal lieber.